Sonntag, 8. Juli 2018

Robby Müller gestorben





Jener Kameramann, den ich irrtümlich immer für einen Deutschen hielt, ob seines archetypisch deutschen Namens und weil er seine Karriere in Deutschland begann, war Holländer. Dort wurde er geboren und ist nun im Alter von 78 Jahren in Amsterdam gestorben. Anders als Gerhard Vandenberg, bei dem er nach seiner Ausbildung assistierte, entwickelte Robby Müller keinen eigenen "Stil", was auch nicht unbedingt die Aufgabe eines Kameramanns ist, er war einfach ein hervorragender Mann in seinem Beruf. Wim Wnders, Jim Jarmusch und Lars von Trier waren nur drei seiner zahlreichen Regisseure.
Also war Michael Ballhaus doch unser einziger Kameramann in Hollywood. Und hierzulande? Der Sohn Florian Ballhaus hat gerade den Deutschen Kamerapreis erhalten. Dass er überhaupt in diesem begehrten Beruf problemlos Fuß fassen konnte, bestätigt wieder einmal die Vitamin-B- und Mafia- strukturen im deutschen Film und Fernsehen; Talent vererbt sich nicht automatisch, schon gar nicht bei Familie Ballhaus. (ama)




Stimmen, die uns auffielen: Christina Hoeltel


Und nun rasch wieder zu den Lebenden. Die in loser Folge präsentierten Gesichter, die uns auffielen werden ab heut ergänzt mit einer den Stimmen von Darstellern gewidmeten Reihe.

Der Jazzexperte Joachim F. Behrendt wußte es schon: Audio ergo sum. Ich höre, also bin ich. So relevant das Sinnesorgan Auge auch sein mag, das Ohr sollte man nicht unterschätzen. Für mich - und ich dürfte beileibe kaum der Einzige sein - gebührte gleich neben Margot Leonard auch Christina Hoeltel (mitunter Kurzform Tina) schon immer ein Thron auf den Olymp der schönsten weiblichen deutschen Synchronstimmen, unbeschreiblich weiblich im wahrsten, notabene auch erotischen Sinne. Das Unverwechselbare im Klang ihrer Stimme basiert auf dem nur scheinbaren Widerspruch eines mitunter markant burschikosen Sprachduktus einerseits und des doch eindeutig weiblich-sinnlichen Timbres andererseits, und dies beruhte nicht auf forcierter Verstellung, das hat sie nicht nötig, es ist Hoeltgens Naturton.

Wenngleich manchen Männern das Singuläre dieser Stimme zu ungewohnt, zu pittoresk erscheinen mochte, hat sie aber doch wohl den Großteil ihres männlichen Publikums eher verzaubert. So wie Margot Leonard dazu geboren war, der Monroe, Diana Rigg  und anderen großen Kolleginnen ihre Stimme zu "leihen", wie es immer so schön heißt (besser: den Rechteinhabern zu verkaufen), so war Christina Hoeltel die beste Wahl bei Jessica Lange, Heather Locklear, lustigerweise sprach Hoeltel auch den Scooter in der Muppets Show, wo sie das lebhaft Burschikose ihrer Stimme voll einbringen konnte, ferner hörte man sie in Jäger des verlorenen Schatzes und Harry Potter, und neben vielen anderen Serienheldinnen sprach sie Erin Gray, den weiblichen Star in der Science Fiction-Serie Buck Rogers   -  umso ärgerlicher dann der plötzliche Wechsel, wenn in manchen Folgen von Serien plötzlich eine andere Stimme zur gleichen Rolle ertönt, aber das nur nebenbei, Schuld daran tragen nicht die Sprecher. Ausgerechnet Scooter wurde immer durchgehend von Hoeltel gesprochen, auch in den Kinofilmen, hierauf achtete man wohl des besonderen Marktwertes der Muppets wegen.




















2011 widmeten wir uns erstmals dem          Thema Synchro.




Mit Margot Leonard teilt Tina Hoeltel die Entwicklung ihrer Karriere, offenbar zu selten aus den Synchronstudios herausgekommen zu sein, um noch in den ganz großen Hauptrollen VOR der Kamera oder, ebenfalls bedauerlich, in Hörspielen auftreten zu können. Ansonsten gibt es keine näheren Angaben zu ihr, weder im Netz noch in der Fachliteratur, außer mageren Hinweisen wie dem, dass sie schon als Kind mit der Arbeit als Sprecherin begann. Ihre Jugendlichkeit bewahrte sich Tina bis ins fortgeschrittene Alter und konnte so später oftmals Kolleginnen synchronisieren, die viel jünger waren als sie selbst.

Mittlerweile geht sie auf die 70 zu (geboren am 28. Dezember, wie Friedrich Wilhelm Murnau, Walter Ruttmann, die Knef und mit Verlaub auch ich, die Sterne meinten es gut mit uns), ist noch immer aktiv und kann vermutlich ein Lied davon singen, wie sehr sich die Arbeitsbedingungen für Synchron- sprecher in den letzten Jahrzehnten verschlechtert haben.
Früher war die deutsche Synchronisation bei den Auftraggebern auch im Ausland für ihre Qualität berühmt, die Schauspielerin hatte daran mit ihrer unverwechselbaren, lebhaften und  ausdrucks- starken Stimme entscheidenden Anteil.
Ganz generell machte sich halt damals die echt deutsche Begabung für Gründlichkeit und Ge- nauigkeit bis in die 80er Jahre hinein bezahlt. Aus verschiedenen Gründen, u.a. weil nun alles so rasend schnell gehen muss, hat sich dies geändert; was sich heute Synchronisieren nennt, ist oft nur noch Voice-Over.

Lange habe ich gerätselt, was Fellini nur an dieser Giulietta Masina so toll gefunden haben mochte, als er sich in sie verliebte. Eines Tages erfuhr ich es: sie war damals Radiosprecherin und Fellini war hin und weg, als er ihre Stimme hörte. Christina Hoeltel hat nicht nur eine völlig unverwechselbare Stimme, sie ist ebenfalls von der Art, dass man die Frau allein ihrer Stimme wegen hätte heiraten wollen  -  eine aparte Schönheit ist sie noch außerdem. Wir wünschen alles Gute für die kommenden Lebens- und Arbeitsjahre. (fb)

Aus rechtlichen Gründen hier leider kein Foto von Christina Hoeltel.






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