Donnerstag, 28. Juni 2018

Fußball-WM: Jogi Goes Murphy






Am Ende des gestrigen Spiels gegen Südkorea waren in Deutschland wohl die Redakteure der Tageszeitungen die einzigen nicht völlig Frustrierten (neben den Belegschaften der deutschen Sam-sung-Werke etc., dort hat man eher gejubelt): Wegen des frühen Beginns um 16 Uhr hatten sie nicht den üblichen Zeitstress, sondern konnten mit ein paar Stunden mehr gesegnet etwas sorgfältigere Texte schreiben. So ganz unerwartet kam das frühe Ausscheiden nur für die grenzenlosen Opti- misten, war doch die Leistung in den Spielen der letzten Monate generell nicht allzu berauschend.

Es ist eben möglich. Es kann auch einmal sein, dass wir eben NICHT ins Viertelfinale und ins End-spiel kommen, diesmal auch nicht ins Achtelfinale. Das Murphy´sche Gesetz besagt: Alles was schief gehen kann, geht halt auch irgendwann einmal schief. Dabei ist diese Weisheit imgrunde nur, wie so viele Natur- und juristische Gesetze, eine mathematisch nicht beweisbare Mutmaßung, eine philoso-phische These, die aber etwas für sich hat. Der Mensch ist fehlbar und diese Welt ist fehlbar, wäre dies nicht so, dann hätten wir ein ausgesprochen steriles Dasein. Und so haben wir uns gestern halt blamiert wie zuletzt (dem Vernehmen nach, ich bin kein Fußballexperte) 1938 gegen die Schweiz. Als alter Godzilla-Fan gönne ich freilich den Südkoreanern ihren Sieg, weil sie so ähnlich aussehen wie Japaner, eher klein, schlitzäugig und feingliedrig. Das Ausland weidet sich derweil an seiner Scha- denfreude und daran, dass auch in Deutschland, wo Gründlichkeit und Genauigkeit erfunden wurden, nicht immer alles richtig läuft, dass  jüngst gar ein halbes Jahr zur Regierungsbildung benötigt wurde  -  und nun das, der Fußballweltmeister fliegt schon nach dem dritten Spiel hinaus. Italien und manch andere Ex-Weltmeister hatten bereits in der Vergangenheit erleben müssen, kurz nach Beginn aufzugeben, nun also wir.
Immerhin, viermal sind wir seit 45 Weltmeister gewesen. Spielen wir also nicht die beleidigte Leberwurst, seien wir nicht pessimistisch wie Mister Murphy, sondern lieber optimistisch und zu- versichtlich wie Murphy Brown. (fb)



                                      Shay Laren





Dienstag, 26. Juni 2018

Gesichter die uns auffielen: Kurt Pratsch-Kaufmann





Es ist eine alte Weisheit, dass am Theater und im Spielfilm Nebenrollen dramaturgisch ebenso wichtig sind wie Hauptrollen, eins muss sich in das andere fügen, die Bezeichnung Nebenrolle ist somit eigentlich ungerecht abwertend. Der Schauspieler Kurt Pratsch-Kaufmann war als Charakter- darsteller, Kabarettist, Komiker, Parodist, Sänger, Conferencier, und Synchronsprecher nicht nur ungewöhnlich vielseitig, sondern auch ein Gesicht mit Wiedererkennungswert und hatte es bei allem Temperament nicht nötig, sich ostentativ in den Vordergrund zu spielen.

Als Sohn einer Tänzerin am Dresdner Hoftheater (Sachsen war bis 1918 de jure noch ein Königreich innerhalb des Deutschen Reiches) kam er früh mit der Bühne in Kontakt. An dieser Stelle kann man seine zahlreichen Rollen nicht aufzählen, die er an kleinen und großen Theatern, in Operetten, bei Film und Fernsehen spielte. Stellvertretend seien hier zwei bzw. drei Bühnenrollen genannt: der Hauptmann von Köpenick sowie der Vater von Eliza Doolittle, der im Musical My Fair Lady das Lied "Hei, heute morgen mach´ ich Hochzeit" schmettert. Jahrelang trat Pratsch-Kaufmann in dieser Rolle in Berlin auf, wo er auch oft vor der Filmkamera stand und in den 30er Jahren erstmals aufgetreten war, unter anderem im legendären Kabarett der Komiker. Berlin wurde seine künstlerische Heimat, dort errang er besondere Popularität, das Publikum nannte ihn liebevoll "Pratsche". Eine Hauptrolle am Theater hatte er vermutlich (wie so oft gibt es keine genauen Quellen) in Hello Dolly, mitgewirkt hat er auf jeden Fall, über 300 Mal, aber in welcher Rolle??? Nix Genaues erfährt man nicht, und ich bin Theaterwissenschaftler; aber es dürfte der Horace Vandergelder gewesen sein, die im Film von Walter Matthau gespielte und gesungene männliche Hauptrolle.

Von seinen wenigen ernsten Filmen ist wohl Das Totenschiff nach B. Traven, damals unterschätzt, der filmhistorisch bedeutendste. Für mich als Kind in den 70er Jahren war der Künstler in seinen späten Rollen noch ein vertrautes Gesicht in Film- und vor allem Fernsehrollen; meist als patenter Kerl, dem man sofort den berühmten Gebrauchtwagen abkaufen würde. Bei meinen Recherchen entdeckte ich gestern, dass Pratsch-Kaufmann am 24. Juni 1988, also vor fast genau 30 Jahren verstarb. Ein Grund mehr, an ihn zu erinnern und zu fragen, wie viele Mimen von seiner Qualität und Bandbreite wir heute wohl noch haben, die Zahl ist überschaubar. (fb)