Mittwoch, 18. Juli 2018

Gesichter, die uns auffielen: James Doohan






Einer weit verbreiteten Auffassung zufolge ist das Darstellen zwielichtiger Charakteer weitaus schwieriger für einen Schauspieler als das Spielen eines Good Guy, und wer keinen richtigen Bösewicht gespielt hat, ist auch kein guter Schauspieler. Damit folgt man freilich jener Theorie, der Mensch sei von Natur aus gut, der Künstler müsse sich also erst gar nicht angestrengt verstellen. Schon deshalb erscheint das generelle Postulat fragwürdig.
Aber lassen wir einmal die Frage, ob Schauspieler-Ich und Rollen-Ich ident sind oder nicht, außer acht. In der Raumschiff Enterprise-Folge Der Wolf im Schafspelz wird Scott, genannt Scottie, Chefingenieur der Enterprise, als Mörder verdächtigt, man findet ihn sogar mit der Mordwaffe in der Hand, einem Dolch. Es geschehen noch zwei weitere Morde, und wieder wird Scottie verdächtigt. Ich habe schon Tausende ähnlicher Szenen in Fernseh- und Kinofilmen gesehen, aber noch nie war ich von Anfang an von der Unschuld Scotties so felsenfest überzeugt wie im Falle von Scottie, und ich bin durchaus kein orthodoxer Trekkie-Fan, wenngleich mir der B-Film-Charme dieser frühen Episoden gefällt.

Die Art und Weise, wie der kanadische Schauspieler James Doohan als Scottie auf den Vorwurf reagiert, einen Mord begangen zu haben, wie er seine Unschuld beteuert, auch diese Art und Weise muss man spielen können. Als Zuschauer entfuhr mir beim ersten Sehen der DVD mehrfach der Ausruf "Der arme Scottie!" Der Künstler muss es vermitteln können. Auch wenn er selbst im realen Leben nicht anders handeln würde, bleibt es dennoch eine Aufgabe, dies vor der Kamera glaubhaft "rüber zu bringen".
Es besteht gar kein Zweifel: dieser Mann könnte keiner Fliege etwas zu Leide tun (oder einer Fliege vielleicht doch?) , wobei er alles andere als ein gutmütiger Depp ist, er arbeitet als Chefingenieur eines Raumschiffes mit vierhundert Mann Besatzung (man sieht allerdings immer nur nur die Führungscrew auf der Brücke, draußen auf den Gängen allenfalls noch vier oder fünf Statisten, die herumlaufen; es war eine Fernsehserie), und alle Trekkies wissen: sind Kirk und Mister Spock nicht an Bord der Enterprise, so übernehmen entweder Mister Sulu oder eben Scottie (in der 2. Staffel war Scottie dreimal an der Reihe) das dortige Kommando, das er auch in gefährlichen Situationen souverän meistert.

Scottie (Doohan) und Leutnant Uhara (Nichelle Nichols)

Der Name Doohan klingt so ähnlich wie der des schottischen Kollegen Patrick McGoohan, aber Scotties Eltern waren benachbarter irischer Abstammung (nicht sehr ungewöhnlich, schließlich gibt es auch bei uns Rheinländer mit typisch westfälischen Namen), in der Originalfassung sprach james Doohan die Rolle mit schottischem Akzent. Als junger Soldat war Doohan 1944 bei der Landung der Allierten an der französischen Küste mit dabei und behielt aus der Kriegszeit leichte gesundheitliche Probleme. Dreimal war Doohan verheiratet und ausgerechnet die dritte Ehe, die mit dem größten Altersunterschied, hielt am längsten. Mit 54 heiratete er einen seiner glühendsten Fans,  ein 18jähriges Mädchen. In den späten Star Trek-Kinofilmen trug er einen Bart, der ihm zwar gut stand, ihn aber noch älter machte und Erachtens auch von der Rolle des Scottie etwas entfremdete - und natürlich hätte er vor allem schlank bleiben müssen. Schade auch, dass der zum geflügelten Wort mutierte Satz "Beam me up, Scottie" zu den bekannten geschmacklosen Witzen führte, die mit der Serie nichts zu tun haben.
In seiner späteren Karriere fand Doohan wie so viele Kollegen, die mit einer singulären Serienrolle berühmt wurden, keine weiteren ähnlich markanten Parts mehr. Indes wird er für den durch Enterprise bzw. Star Trek entstandenen Weltruhm genossen haben. James Doohan starb als schwer kranker Mann 2005, im Alter von immerhin 85 Jahren. Er inspirierte nicht nur tausende Jungs dazu, Ingenieur werden zu wollen, er war, ähnlich wie Käpt´n Kirk und die anderen, wie jeder auf seine persönliche Weise eine lebende Motivation, an die gute Seite im Menschen zu glauben, und das ist schon eine ganze Menge. (fb)




Ab morgen im Kino

Einziger wirklich sehenswerter Film unter den neuen ist natürlich Endless Poetry, ein autobio- grafisches Spätwerk von Alejandro Jodorowsky. Wie das Leben so spielt: Jodorowsky und Audie Murphy hatten beide das seltene Privileg, sich in Biopics selbst spielen zu dürfen, nur die Phasen als Kind und Jugendlicher mussten sie freilich abgeben.
Bei der endlosen Poesie, wie es besser hätte übersetzt werden sollen, gibt es einige verstörende, auch unappetitliche Szenen, aber so ist Surrealismus nun mal. Jodorowsky ist Surealist. (ama)





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