Mittwoch, 23. September 2020

Filmwissenschaft: Die Zukunft der Kinematheken

Es sieht trübe aus, nicht erst seit der Pandemie, vor allem in diesem unserem Lande, aus einem einfachen Grund: Diejenigen, die sich für alte Filme mit mehr oder weniger filmhistorischem Wert interessieren und eh schon keine Heerscharen bilden (diese gibt es im Nachbarland Frankreich), sehen daheim oder anderswo auf ihrem Bildschirm das Programm der Filmmuseen, Kinematheken, Programmkinos etc., lesen den Titel, das Jahr undsoweiter eines Films, der sie interessiert, und prüfen dann, ob man ihn sich auf Youtube oder anderswo gratis ansehen kann. Und wenn dem so ist, überlegen sie scharf, ob es sich wirklich lohnt, deswegen ins Kino zu gehen und für gutes Geld eine Eintrittskarte (bei dem Wort Ticket wirds mir schlecht) zu kaufen. Dafür kann man ihn sich dann zwar auf einer größeren Leinwand ansehen, das eigentliche originäre Rezeptionserlebnis, wissenschaftlich gesprochen, hat man indes aber auch nur dann, wenn wirklich eine analoge (Würg!) oder sagen wir originale 35mm-Kopie durch einen Projektor läuft. Die Zahl der Spielstätten, die dies anbieten, ist in den letzten Jahren immer kleiner geworden und wird vermutlich noch kleiner werden; wie zur Verstärkung dieses Trends hat das Berliner Filmarchiv des Bundes schon vor Jahren die Kopierstrecke für 35mm stillgelegt. Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte kann man somit seit geraumer Zeit den Tod einer singulären Kunstform unmittelbar miterleben, das obwaltende digitale Kino ist technisch und ästhetisch (!) etwas Anderes, verwandt zwar, aber eben doch anders. Doch zurück zu unseren Cineasten: Wenn diese so etwas wie ein Kinoerlebnis haben wollen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als in die betreffende Kinemathek, das Filmmuseum whatever zu gehen, selbst wenn sie zuhause über einen Beamer und eine große Leinwand verfügen, denn das gemeinsame Kinoerlebnis zusammen mit wildfremden Menschen in einem dunklen Saal ist halt die Eigentlichkeit des Kinos, wie im Theater, offiziell heißen Kinos in Deutschland auch nach wie vor Filmtheater. Daraus folgt: Die Erstaufführungskinos werden wohl hoffentlich, aller Raubkopien zum Trotz, noch eine Weile Massenmedium bleiben, die Kinematheken aber, auf Filmgeschichte spezialisierte Kinos werden ein sehr bescheidenes Nischendasein fristen und auch das nur, wenn sie entwedet, wie der Kölner Filmclub 813, von der Miete befreit sind oder auf sonstige Weise kontinuierlich subventioniert werden - beim Filmclub 813 ist beides der Fall, er wurde von Anbeginn von Miete bzw. Pacht befreit und hält trotzdem auch noch die Hand für Fördermittel auf.

Donnerstag, 10. September 2020

Neuer Film mit Nina Hoss - Kinostart für Ende Oktober vorgesehen





Schwesterlein handelt von der aufopferungsvollen Zuneigung der Dramatikerin Lisa (Hoss), deren Bruder Sven (Lars Eidinger)an Leukämie erkrankt ist. Ihre Stücke wurden erfolgreich gespielt und er hat als Schauspieler Karriere gemacht, zu Beginn des Films ist er als Hamlet an der Berliner Schaubühne engagiert, am Ende nicht mehr. Regisseur David (Thomas Ostermeier, im wirklichen Leben wirklicher Erfolgsregisseur am Theater)hat ihn umbesetzt, weil er zur Überzeugung kam, dass Sven mit dieser Rolle überfordert ist. Lisas Ehemann Martin (Jens Albinus)leitet in der Schweiz eine Schule für Kinder von Besserverdienenden. Als er sich längertfristig an die Schule binden will, kommt es zum Ehestreit, denn als eher links Gepolte (klar, von Berlin geprägt) möchte Lisa keinen Gatten als Rektor von russischen oder anderen "Oligarchenkindern", was sie ihm lautstark klarzumachen versucht. Gut formuliert.

Ort der Handlung von Schwesterlein ist zunächst Berlin, dann die Schweiz, dann wieder Berlin. Regie bei dieser deutsch-schweizerischen Coproduktion führen zwei Schweizer Damen, Stéphanie Chuat und Véronique Reymond. Der deutsche Kinostart ist für den 29. Oktober geplant. So viel vorab: vor 40 Jahren wäre dergleichen unter "leidlich gelungenes kleines Fernsehspiel" abgehakt worden, aber tempora mutantur. Man freut sich ja schon, wenn ein deutschsprachiger Film halbwegs einen Sinn ergibt und nicht gähnend langweilt. Unterm Strich: einigermaßen sehenswert, auch wenn man manches gar nicht sehen will wie wie die schwule Fellatioszene auf der Herrentoilette, Sven ist wie so viele Mimen von der anderen Fakultät. Ausführliche Kritik im nächsten Heft.







Diana Rigg gestorben

Die erste Ausgabe der Zeitschrift Jasmin Ende der 60er hatte eine Auflage von einer Million Exem- plaren und Verleger Axel Springer schon im Vorfels geschwärmt: "Hm ... Jasmin! ... Das kann ich schon riechen!" Sein Mut wurde belohnt: Allein in der legendären Buchhandlung Ludwig im Kölner Hauptbahnhof fand das Heft reißenden Absatz mit angeblich schon am ersten Tag 30.000 verkauften Exemplaren (vielleicht etwas übertrieben, aber Ludwig hatte wohl damals schon mehrere Ver- kaufsstellen im Bahnhof). Einer der Gründe war sicherlich jener Bericht über das Liebesleben der damals schwer angesagten Diana Rigg alias Emma Peel, erzählt von ihr selbst, Herausgeber Will Tremper war deshalb extra dreimal nach London geflogen, um die aparten Infos von "meiner Freundin Diana Rigg", wie er in Große Klappe stolz schilderte, zu erhalten. Wie sehr und ob überhaupt diese Freundschaft intim war, verriet er diskreterweise nicht. Auf jeden Fall war es eine Komplementär- beziehung: der weibliche Star von Mit Schirm, Charme und Melone war extrem schlank, Tremper schon damals eher vollschlank; sie tanzte gerne in Diskos, er weniger (und tat es dann trotzdem, ihr zuliebe); sie konnte ihn und er sie beruflich gut gebrauchen, nur jeweils anders.


Die Rechte für die privaten Liebesgeständnisse in Jasmin mussten dann anschließend von der britischen Klatschpresse zähneknirschend teuer gekauft werden, sicher zu Axels großer Freude. Später wirkte Diana Rigg unter anderem noch in der unglaublich trashigen, aber halbwegs char- manten Serie Mini-Killers mit, die ein Deutscher produzierte. Dies waren wohl ihre beiden wichtigsten Bezüge zu Deutschland. Die meisten kennen sie heute freilich nur aus Game of Thrones.

Gott, wie habe ich diese Schirm, Charme-Serie als Kind geliebt! Für Michael Weldon und nicht nur für ihn ist sie eine der besten Fernsehserien, die jemals gedreht wurden. Nachdem ich die Schwarz-weiss-Folge mit den Robotern mit meiner Mutter und einem Freund zusammen gesehen hatte, spielte ich sie gleich anschließend im Kinderzimmer leicht verfremdet mit ihm nach, ich weiß es noch wie heute.

Nach dem Tod von Patrick Macnee druckten wir 2015 einen ausführlichen, auf zwei Hefte verteilten Gedenkartikel (siehe oben), einige Exemplare sind noch auf Lager. Ein spezielles Gedenkheft über Diana wäre natürlich schön, ist halt eine Geld- und Zeitfrage. Dann wird es aber "nur" ein Heft, ohne Fortsetzung, denn das Wichtigste zur Serie steht schon in den zwei alten Film Mäg-Ausgaben.



Dienstag, 1. September 2020

Die Sache mit den Flaggen




von Frank Blum

Seit einiger Zeit schreibe ich an einem text mit dem Titel "Warum ich kein Deutscher mehr sein will", und ich werde und werde nicht fertig. Meine Stammleser ahnen schon den Grund und das jüngste von allen Argumenten: Unsere Post-Pisa-Generation ist mittlerweile dermaßen verblödet, dass die Flaggen des Kaiserreiches mit dem NS-Staat synonym gesehen werden; und die Generationen zuvor, die Pisa- und Prä-Pisa-Herrschaften, zu denen mittlerweile auch unsere Politiker gehören, sehen es ebenso.

Das Kaiserreich als Drittes Reich light


Obwohl meine höhere Schule, das Kölner Schiller-Gymnasium, zu Recht als Kaderschiede roter Socken und links bis linksradikal galt, war unser Geschichtslehrer immerhin so objektiv, bei seinem ausführlichen Unterricht zur deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts die Person Bismarcks nicht zu verteufeln, ihn im Gegenteil neben allen negativen Aspekten als weitblickenden Staatsmann zu schildern, der Deutschland einigte, mit der Krankenversicherung den Sozialstaat einführte und nicht zuletzt ab 1871 nur noch Frieden, Frieden und nichts als Frieden wollte, um seine nicht unkomplizierte Rückversicherungs-Außenpolitik zu sichern. Demgemäß sahen wir Schüler das Kaiserreich, wenn auch nicht als Rechtsstaat, so aber doch auch nicht als automatische Vorstufe zum NS-Staat. Wir lernten von Herrn Schmitz lediglich, dass es eine Kontinuitätstheorie gebe, derzufolge eine lineare Entwicklung von Bismarck zu Hitler geführt hätte, die aber nur eine Theorie unter mehreren sei. Wir hatten folglich auch keine großen Probleme mit der schwarz-weiß-roten Flagge, obgleich mir die Bundesflagge immer besser gefiel, vor allem ästhetisch, weil Gold eine wärmere Farbe ist als Weiß, aber freilich auch, weil in unserem Geschichtsbuch ein Gemälde abgebildet war, auf dem über einer umkämpften Barrikade eines Straßenkampfes von 1848 die schwarz-rot-goldene Flagge wehte. Diese stand also klar in einer demokratischen Tradition.

Und die Nazis? Die hatten bekanntlich ihr eigenes Symbol, das berühmt-berüchtigte Hakenkreuz, ursprünglich in alten Mythologien ein Sonnensymbol, aber auch nicht unbedingt angenehm, weil die menschliche Psyche runde Formen als angenehm wahrnimmt, rechtechige Haken dagegen als eher unangenehm; das Hakenkreuz fand ich immer schon einfach nur häßlich, markant zwar, aber häßlich. Man kann darüber streiten, ob man sich mit dessen Verbot einen Gefallen tut, denn erstens befeuert dies den schon in der Genesis benannten Reiz des Verbotenen und zweitens hat dies zu einer permanenten Verfälschung in der Darstellung des Nationalsozialismus geführt, weil Abbildungen mit dem verdammten, im doppelten Sinne verdammten Kreuz einer unmittelbaren Rechtfertigung als historischer Quelle bedürfen.

Heraldik als Herausforderung

Und dies ging unverdientermaßen zu Lasten des Eisernen Kreuzes und sogar noch des alten Reichsadlers, mithin der Reichskriegsflagge. In deutschen Filmen und Medien hat es sich eingebürgert, statt des Hakenkreuzes möglichst das Eiserne Kreuz zu zeigen, und das hat es nicht verdient. Diese Unsitte führte entsprechend zur generellen Stigmatisierung preußischer und kaiserlicher Symbolismen.

Fortsetzung folgt