Dienstag, 1. September 2020

Die Sache mit den Flaggen




von Frank Blum

Seit einiger Zeit schreibe ich an einem text mit dem Titel "Warum ich kein Deutscher mehr sein will", und ich werde und werde nicht fertig. Meine Stammleser ahnen schon den Grund und das jüngste von allen Argumenten: Unsere Post-Pisa-Generation ist mittlerweile dermaßen verblödet, dass die Flaggen des Kaiserreiches mit dem NS-Staat synonym gesehen werden; und die Generationen zuvor, die Pisa- und Prä-Pisa-Herrschaften, zu denen mittlerweile auch unsere Politiker gehören, sehen es ebenso.

Das Kaiserreich als Drittes Reich light


Obwohl meine höhere Schule, das Kölner Schiller-Gymnasium, zu Recht als Kaderschiede roter Socken und links bis linksradikal galt, war unser Geschichtslehrer immerhin so objektiv, bei seinem ausführlichen Unterricht zur deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts die Person Bismarcks nicht zu verteufeln, ihn im Gegenteil neben allen negativen Aspekten als weitblickenden Staatsmann zu schildern, der Deutschland einigte, mit der Krankenversicherung den Sozialstaat einführte und nicht zuletzt ab 1871 nur noch Frieden, Frieden und nichts als Frieden wollte, um seine nicht unkomplizierte Rückversicherungs-Außenpolitik zu sichern. Demgemäß sahen wir Schüler das Kaiserreich, wenn auch nicht als Rechtsstaat, so aber doch auch nicht als automatische Vorstufe zum NS-Staat. Wir lernten von Herrn Schmitz lediglich, dass es eine Kontinuitätstheorie gebe, derzufolge eine lineare Entwicklung von Bismarck zu Hitler geführt hätte, die aber nur eine Theorie unter mehreren sei. Wir hatten folglich auch keine großen Probleme mit der schwarz-weiß-roten Flagge, obgleich mir die Bundesflagge immer besser gefiel, vor allem ästhetisch, weil Gold eine wärmere Farbe ist als Weiß, aber freilich auch, weil in unserem Geschichtsbuch ein Gemälde abgebildet war, auf dem über einer umkämpften Barrikade eines Straßenkampfes von 1848 die schwarz-rot-goldene Flagge wehte. Diese stand also klar in einer demokratischen Tradition.

Und die Nazis? Die hatten bekanntlich ihr eigenes Symbol, das berühmt-berüchtigte Hakenkreuz, ursprünglich in alten Mythologien ein Sonnensymbol, aber auch nicht unbedingt angenehm, weil die menschliche Psyche runde Formen als angenehm wahrnimmt, rechtechige Haken dagegen als eher unangenehm; das Hakenkreuz fand ich immer schon einfach nur häßlich, markant zwar, aber häßlich. Man kann darüber streiten, ob man sich mit dessen Verbot einen Gefallen tut, denn erstens befeuert dies den schon in der Genesis benannten Reiz des Verbotenen und zweitens hat dies zu einer permanenten Verfälschung in der Darstellung des Nationalsozialismus geführt, weil Abbildungen mit dem verdammten, im doppelten Sinne verdammten Kreuz einer unmittelbaren Rechtfertigung als historischer Quelle bedürfen.

Heraldik als Herausforderung

Und dies ging unverdientermaßen zu Lasten des Eisernen Kreuzes und sogar noch des alten Reichsadlers, mithin der Reichskriegsflagge. In deutschen Filmen und Medien hat es sich eingebürgert, statt des Hakenkreuzes möglichst das Eiserne Kreuz zu zeigen, und das hat es nicht verdient. Diese Unsitte führte entsprechend zur generellen Stigmatisierung preußischer und kaiserlicher Symbolismen.

Fortsetzung folgt

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