Montag, 23. April 2018

Zum Tag des Buches - Filmliteratur heute



Jean Harlow, Anita Loos


Das Sprichwort meint, dass Totgesagte länger leben. Für die gegenwärtig einen Boom erlebende Vinylschallplatte gilt dies zweifellos, und das Kino wurde bereits vor fast hundert Jahren mit dem Aufkommen des Radios erstmals totgesagt. Auch das gedruckte Buch wird es künftig weiterhin geben. Wie aber sieht es mit er Qualität der Film-Sekundärliteratur aus? (die primäre wären z.B. Drehbücher).
Es ist eine alte Story: In Deutschland wird das Filmwesen weder als Industrie noch als Kunstform so recht ernst genommen; wenngleich es in den letzten Jahrzehnten bescheidene Fortschritte im öffent-lichen Bewusstsein gab, die Betonung liegt auf bescheiden. Bis Ende der 60er Jahre hat eine um-fassendere Filmliteratur überhaupt nicht existiert und fristete ein Nischendasein.
Später gab es einige ambitionierte Projekte wie die legendäre "blaue Reihe" von Hanser, Monogra-fien im Taschenbuchformat zwar, aber dafür preiswert und mitunter sogar im Hardcover. Eine ent-sprechende, populärer gehaltene Reihe bei Heyne war schon eine Lizenznahme von den Amis, die das Original geschaffen hatten. Besonders schlimm sieht es mit den sogenannten filmwissenschaft-lichen Schriften aus, seriöse Lehre und Forschung findet kaum statt, wo soll da die Literatur wohl herkommen?

Die lesenswertesten Werke stammten seit den 90er Jahren nicht selten aus der Feder bzw. der Tastatur von "Laien", meist begeisterten Fans, die dem Objekt ihrer Begierde ein gedrucktes Denkmal setzen wollten, auf Buch- und Zeitschriftenebene. Ralf Stockhausen gibt seit langer Zeit die Pranke heraus, ein ausschließlich mit dem Genre Monsterfilm befasstes Heft, das einmal mit einem achtseitigen Artikel über die spanischsprachige Version des Dracula-Films mit Lugosi von 1930 aufwartete. Wäre ein solches Thema nicht Aufgabe offizieller filmhistorischer Stellen?  -  Ein besonderes Augenmerk verdient der Sprachduktus. Die Fanliteratur ist in der Regel naturgemäß frei vom trockenen akade-mischen Jargon, dafür kommt man in den Genuß des anderen Extrems, das von "Lockerheit" bis zum Gossenjargon reicht. Peter Osteried mag gerade noch angehen, aber den Vogel schießt bis heute un-übertroffen der auch unter Pseudonym schreibende Andreas Bethmann ab.

Wer in Sachen Kompetenz auf Nummer Sicher gehen will, sollte im Zweifelsfall nach wie vor die angelsächsische oder französische Filmliteratur zu Rate ziehen, daran hat sich nichts geändert. Im übrigen fallen mir bei Netz-Angaben immer wieder Fehler auf, etwa beim allseits bekannten Ama-teurlexikon Wikipedia. Wer sich rein auf Angeben aus dem Rechner verlässt, ist selber schuld. (fb)







Wie oben bereits beschrieben, existiert in Deutschland keine ernsthafte Filmwissenschaft, und wenn es doch gewisse Ausnahmen geben mag die die Kollegen vom Hamburger CineGraph-Projekt  mit ihrem an sich verdienstvollen legendären Ringbuch-Lexikon, so sind sie ideologisch indoktriniert. Entsprechend ist die Lage der Archive.

Man stelle sich einmal vor, die Museen der Welt würden ihre wertvollen Gemälde und Aquarelle abhängen, irgendwo dem Verfall preisgeben und stattdessen gerahmte Nachdrucke präsentieren. Genau dies geschieht derzeit mit den Beständen alter 35mm-Spielfilme, in diesem unserem Land jedenfalls. Wie wir berichteten, hat das Berliner Bundesarchiv seine 35mm-Kopieranlage seit kurzem nicht mehr in Betrieb. Dies wurde mit der abnehmenden Zahl von Spielstätten, die über analoge Projektoren verfügen, begründet, als ob dies ein Argument wäre. Stattdessen beginnt nun das DFI (Deutsches Filminstitut) mit der Überspielung alter Klassiker wie Der Greifer (1930, mit Albers) auf DCP. Sie meinen es gut, ohne Zweifel. Dennoch wird hier nun einmal die Tendenz zum Aussterben einer ganzen Kunstform betrieben, Filmstreifen und digitale Datei sind nicht dasselbe, weder technisch noch ästhetisch.
Die Franzosen fertigen nach wie vor von jedem, auch neuen Film, den sie für bewahrenswert halten, eine 35mm-Kopie an, und sie wissen warum: Abgesehen von der digitalen Entfremdung des Film-mediums von sich selbst hält überdies ein guter Filmstreifen hundert Jahre und länger, bei Digi-Speichermengen ist dies noch längst nicht erwiesen. (ama)





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