Mittwoch, 19. Februar 2020

What amazing Actresses do You have in Germany! - Nachruf auf Sonja Ziemann






Als ich geboren wurde, war die Zeit ihrer großen Filme, bei denen ihr Name auf den Plakaten ganz oben stand, schon eine Weile vorbei, doch noch immer war sie aktiv und ihr Name ein Begriff. Die heutige junge Generation verwechselt sie beim Hören ihres Namens wohl erstmal mit Sonja Zitlow, so wie ihr häufigster Produzent Artur "Atze" Brauner mit dem Lockenkopfcomedian verwechselt wird.

Neben ihren gelegentlichen Auftritten im Fernsehen, bei der Sendung ihrer alten Filme und gele- gentlichen neuen Rollen, hatte ich dennoch zwei späte Ereignisse der besonderen Art mit Sonja Ziemann: einmal trat sie mit ihrem damaligen Ehemann Charles Regnier im Kölner Theater am Dom in dem Stück Big Love auf. Das Theater ist relativ klein und hat so den ungemein großen Vorteil, dass die Darsteller recht nahe sind, wie in den offiziellen Kammerspielen.
Das zweite Mal war es im Rahmen der von mir organisierten CCC-Retrospektive in Köln, als es mir gelang, eine 35mm-Kopie von Der achte Wochentag, ihrem wohl ungewöhnlichsten Kinofilm, zu organisieren und vorzuführen, wobei ich mich natürlich in eine vordere Reihe setzte, denn diese Gelegenheit, den Film als FILM, ohne Pixel und Speedup-Effekt und womöglich noch Logo in der Ecke zu sehen, kam nie mehr wieder, das war klar. Diese Coproduktion Brauners mit Polen, die auch in Köln 1958 ihre deutsche Erstaufführung hatte, war ein gänzlich ungewohnter Ziemann-Film, hing der Schauspielerin doch bis zuletzt das Image des unbedarft fröhlichen Schwazrwaldmädels im gleichnamigen Klassiker von 1950 an. Doch damit wurde man ihr nicht gerecht.

"Was habt ihr in Deutschland für tolle Schauspielerinnen!"

Der Wochentag war ein todernstes, nur oder fast nur abends und nachts spielendes Drama über ein Liebespaar, das im Nachkriegs-Warschau keinen Platz findet, um allein zu sein. Als ein Filmjournalist (?) den Film auf einem internationalen Festival gesehen hatte, rief er "Mein Gott, was habt ihr nur für tolle Schauspieler in Deutschland! Wer ist denn das?" Tja, das war eben eine jener Darstellerinnen, die vom deutschen Nachkriegsfilm sträflich vernachlässigt wurden, nicht in Bezug auf die Gage und Prominenz, doch in Bezug auf gute Drehbücher.

Ich war vom Wochentag echt beeindruckt, man erkannte sie nur äußerlich, nicht aber künstlerisch wieder, wenn sie in Nahaufnahme an der Kamera vorbei ihren Text sprach. Drehbuch-Coautor Hlasko hatte seinen Part nach seiner gleichnamigen Erzählung geschrieben, und während der Dreharbeiten verliebten er und sie sich ineinander, obgleich sie doch überhaupt nicht zueinander zu passen schienen. Aber Amor hat noch nie nach Logik gefragt, und so kommen halt immer wieder die selt- samsten Paare zustande. Hlasko war schon damals dem Trunke ergeben, das kam noch dazu. Sie heirateten, und nachdem sie sich wieder scheiden ließen, beging der Autor vermutlich Selbstmord, jedenfalls starb er an einer Überdosis Tabletten.
Berühmt wurde sie mit dem Schwarzwaldmädel zu Beginn der 50er Jahre, sie kam sogar auf die Titelseite des Spiegel. Ihr Partner, der Österreicher Rudolf Prack war wesentlich älter, wirkte aber nicht alt, die beiden harmonierten einfach. Artur Brauner versuchte den Erfolg eines anderen Produzenten auszuschlachten und drehte flugs ein Hollandmädel mit der Ziemann, der Erfolg war dann eher bescheiden, aber immerhin hatte er real in Holland drehen lassen.

Eine Szene mit besonderem erotischen Knistern bot die Ziemann übrigens in Atzes Remake von Menschen im Hotel, als sie sich langsam ihre Seidenstrümpfe auszog (mehr leider nicht). Dies sind die Momente, die in Erinnerung haften bleiben, hockt man als Jüngling mit umarmten angezogenen Beinen vor dem Fernseher. Eine ähnliche Strunpfszene, sofern sie nicht gestrichen wurde, zelebrierte sie auf der Bühne, als Maggie in Tennessee Williams´ Katze auf dem heißen Blechdach. Wenn Regisseur Werner Düggelin damals bei Trost war, hat er sie nicht gestrichen. Sein Star war damals um die 40, aber für meinen Geschmack gehört Sonja Ziemann, ähnlich wie zum Beispiel in Frank- reich Catherine Denauve, zu den Frauen, die erst jenseits der 25 oder 30 so richtig aufblühen und dann noch mindestens bis zum 40. oder 45. Geburtstag erotisch wirken.

Ein Beispiel für inkompetenten Umgang der Deutschen mit der eigenen Filmgeschichte erlebte ich mal wieder vorhin, als der Deutschlandfunk (!) ihre Todesnachricht in den normalen Nachrichten brachte, ganz zuletzt natürlich, und als Beispiele für Ziemanns internationale Filme Hunde, wollt ihr ewig leben (Au Weia!!) und Die Brücke von Remagen nannte. Man kann sich heute eben gar nicht mehr vorstellen, dass solch tolle Epen wie die Hunde, der beste aller Stalingrad-Filme, in Deutschland gedreht wurde. Das gilt auch für Die Brücke von Remagen, die allerdings eine US-Produktion war und nur echten Ziemann-Fans zu empfehlen ist; sie spielte die Ehefrau eines der Helden und ist leider nur ein paar Minuten im Bild.

Nun ist sie, neun Tage nach ihrem 94. Geburtstag, verstorben. Sollte das Geld reichen, werden wir noch ein Ziemann-Sonderheft herausgeben. (fb)




Josef Vilsmaier gestorben

Auf jeden Fall vorgesehen ist ein Heft über den in der vergangenen Woche gestorbenen Regisseur und Kameramann Josef Vilsmaier, den ich noch persönlich kennenlernen konnte. 2008 hatte ich die Begegnung im Film Mäg-Heft Nummer 3 bereits näher beschrieben.



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